"Don't Believe The Craft Beer Hype", warnt der Aufkleber. Die vier Mitarbeiter der Berliner "Bierfabrik" posieren darauf mit finsteren Blicken im Stile einer Metalband. Der Sticker prangt auf dem Leitz-Ordner, in dem die Kleinstbrauerei in Marzahn ihre Preislisten aufbewahrt. Wie eine ständige Mahnung, nicht bloß auf einer Modewelle mitzuschwimmen.
Eher schon sieht Bierfabrik-Gründer Sebastian Mergel unter Biertrinkern eine neue Ernährungsbewegung, "so ähnlich wie bio". Gerade in Millionenstädten sprießen neue Brauereien wie Gerstenhalme aus dem Boden.
"Craft Brewer" wenden sich gegen die geschmacksfreie Industrieplörre der Großbrauereien und versprechen, dass sie aus exquisiten Zutaten und gewissenhaftem Handwerk besseres Bier herstellen können. "Vor 100 Jahren gab es in Berlin noch rund hundert Brauereien, dann nur noch eine große. Jetzt werden es wieder mehr", sagt Bierfabrik-Gründer Sebastian Mergel. Nachdem lange Jahre viele Brauer aufgaben, steigt pünktlich zum 500. Geburtstag des Reinheitsgebots die Zahl der Bierhersteller in Deutschland wieder.
Ob der Trend eine Modeerscheinung bleibt, könnte sich in diesem Jahr entscheiden: Denn die extreme Trockenheit im Sommer 2015 hat die Hopfenernte des Jahres ruiniert. Weltweit sei 30 Prozent weniger geerntet worden, sagt Florian Perschel von der Nürnberger Firma Barth-Haas, dem weltgrößten Hopfenhändler. Der Preis für manch spezielle Sorte habe sich verdreifacht.
"Hopfenstopfen" kommt die Brauer teurer
Dass der 29-jährige Mergel keine gewöhnliche Brauerei führt, merkt man schon, wenn er durch den Lagerkeller seiner Fabrik führt - ein Backsteingebäude neben einer Kleingartenkolonie am östlichen Rand der Hauptstadt.
Säcke voll Röstmalz liegen da auf Paletten, die seinen Bieren Noten von "Kaffee und dunkler Schokolade" geben. Vokabeln wie auf einer Weinverköstigung, die so gar nicht zu dem kahlen Raum passen wollen, in dem mehrere Kühltruhen summen. Darin lagert Mergel die "Dolden" genannten grünen Hopfen-Ähren, die so illustre Namen wie "Mandarina Bavaria" oder "Hallertau Blanc" tragen - und ihn schon bald deutlich teurer kommen könnten.
- Damit die typischen "Pale Ales" und "IPAs" ihren fruchtigen Geschmack nach Grapefruit oder Blaubeer bekommen, werden sie "hopfengestopft" - es wird also in der Lagerung zusätzlicher Aromahopfen beigefügt. Das verteuert die Herstellung deutlich: In manchen Bieren werde pro Hektoliter ein Kilo Hopfen verbraucht, sagt Hopfenhändler Perschel. Bei klassischen deutschen Bieren seien 50 bis 100 Gramm üblich.
- Dabei sei die Craft-Beer-Herstellung ohnehin teurer, sagt Mergel. Teils mehrere Monate lagere das Bier in zwölf liegenden 1000-Liter-Tanks. In Großbrauereien sei es teilweise nur eine Woche. Zudem fehlen den Mini-Brauern die Skaleneffekte bei Einkauf, Produktion und Vertrieb.
- Die meisten Brauereien vereinbaren schon vor der Ernte Lieferpreise und -mengen für Hopfen. Mancher Neuling existierte da noch gar nicht und muss sich nun auf dem freien Markt versorgen. "Manche Sorten kriegen sie gar nicht mehr oder nur zu extrem hohen Preisen", sagt Perschel.
Dank ihrer fixen Lieferverträge bekam Mergels 2012 gegründete Bierfabrik in diesem Jahr noch ausreichend Hopfen, zu bezahlbaren Preisen. Er hätte aber keine Hopfendolden oder -pellets nachbestellen können.
Voll durchschlagen wird die miese Ernte von 2015 auch bei der Bierfabrik im Frühling oder Sommer, wenn Mergel seine neue Bestellung für die kommende Ernte an die Lieferanten gibt. Ob er die höheren Kosten für Hopfen auf den Bierpreis draufschlagen kann, ist alles andere als sicher. Für sein "Wedding Pale Ale" zahlen Getränkemärkte und Gastronomen schon jetzt 1,50 Euro pro 0,33-Liter-Flasche. "Viele sind es gewohnt, dass die Flasche Bier 40 bis 60 Cent kostet."
Bereitet der teure Hopfen dem "Craft Beer Hype" ein jähes Ende?
Sebastian Mergel wiegelt ab: Im Netzwerk der Handwerksbrauer helfe man einander. In einer Facebook-Gruppe tauscht die deutsche Community schon jetzt Rohstoffe aus. Erst kürzlich hat sich Mergel dort eine knapp gewordene Bitterhopfensorte von einem befreundeten Kollegen besorgt.
Der 29-Jährige hofft, dass seine Branche die drohende Krise so meistern kann. So richtig getestet wird die Solidarität aber erst, wenn bestimmte, beliebte Sorten überall richtig teuer werden.
Florian Perschel könnte aber auch dieser Situation Gutes abgewinnen: "Mangel kann ja auch die Kreativität anregen", sagt der Hopfenverkäufer. Wenn ein Brauer fehlende Hopfensorten durch andere ersetzen muss, könnten die Biere ganz neue Geschmäcker bekommen. "Auch Wein ist ganz selbstverständlich ein Jahrgangsprodukt, das je nach Ernte variiert."
Zusammengefasst: "Craft Beer", Bier mit ungewöhnlichen Rezepturen aus kleinen Brauereien, ist im Trend. Doch die schlechte Hopfenernte im vergangenen Jahr könnte den Boom der Branche gefährden, wenn viele Betriebe in diesem Jahr ihre Hopfenlieferungen neu verhandeln müssen. Die neuen Brauer hoffen, mit gegenseitiger Hilfe und Kreativität die drohende Krise zu meistern.
Fazit: Wenn Hipster leiden, freut mich das.
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