Sonntag, 24. April 2016

Neue Zürcher Zeitung: Henkell bietet für Freixenet: Spanischer Cava kokettiert mit deutschem Sekt

Schlechte Bilanzen und Familienstreitigkeiten machen Freixenet zu schaffen. Nun zeigt die Oetker-Tochter Henkell Interesse. Ein Teil der Eigentümer aber stemmt sich gegen einen Verkauf.

Erst 2014 liess man bei Freixenet stolz die Korken knallen – schliesslich galt es, den hundertsten Geburtstag eines Unternehmenszu feiern, das seit drei Generationen in Familienhand ist. Der Ruf, einer der erfolgreichsten Familienbetriebe Spaniens zu sein, könnte allerdings bald der Vergangenheit angehören. Es kriselt nämlich schon seit längerem beim berühmten Schaumwein-Hersteller.

Geheimhaltungsklausel

Vom Stammsitz im katalanischen Dörfchen Sant Sadurní d'Anoia, nicht weit von Barcelona, dringen kaum Informationen an die Öffentlichkeit. Die Zahlen aber sprechen für sich: 2015 war der Nettogewinn um 71% eingebrochen und auf 2,2 Mio. € geschrumpft. In Glanzzeiten, vor Ausbruch der spanischen Wirtschaftskrise 2008, hatte der Rebensaft der Familie noch jährlich Erlöse von 30 Mio. € beschert. Inzwischen sind die Schulden auf 150 Mio. € gewachsen.
Nicht allein die schwere Rezession im Land sei schuld am Niedergang des Traditionshauses, meint ein Teil der Eigentümerfamilie, die aus drei Zweigen besteht. Von Missmanagement ist die Rede und davon, dass nur ein Verkauf den Schaumwein-Hersteller retten könne.
Spanische Zeitungen hatten schon vor Wochen Übernahmegerüchte gestreut und berichtet, die deutsche Henkell-Gruppe wolle mit mehr als 50% beim Cava-Produzenten einsteigen. Freixenet werde gemäss dem Kaufangebot von Henkell mit 500 Mio. € bewertet, wollen spanische Medien erfahren haben. Im Stammhaus von Freixenet selbst bestätigte eine Sprecherin gegenüber der NZZ lediglich, dass ein Angebot auf dem Tisch liege, verwies aber auf eine vereinbarte Geheimhaltungsklausel.
Zwei der drei Familien sind einem Verkauf offenbar nicht abgeneigt. Der Hevia-Zweig, der 29% der Anteile hält, sei bereit, diese an Henkell zu verkaufen. Die Familie Bonet aber, die ebenfalls 29% der Anteile hält, sei noch gespalten, heisst es in der spanischen Presse. Auf der anderen Seite stemmen sich die Ferrers mit Ehrenpräsident José Ferrer an der Spitze gegen eine Übernahme. Dieser Teil der Eigner hält 42% der Anteile, hat ein Vorkaufsrecht auf die übrigen 58% und will die Kellerei offenbar mit der Aufnahme eines Kredits von 120 Mio. € im Familienbesitz halten.

Unternehmergeist einer Frau

Die Ursprünge des katalanischen Traditionsunternehmens gehen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Die Familiensaga ist eng verwoben mit der spanischen Geschichte: Firmengründer Pedro Ferrer wurde 1936 im Bürgerkrieg erschossen. Seine Witwe Dolores Sala führte die Kellerei später gemeinsam mit ihren Kindern weiter. Sie wird bis heute als die Grande Dame des spanischen Schaumwein-Imperiums verehrt. Unter ihrer Ägide mauserte sich Freixenet zum erfolgreichsten katalanischen Familienunternehmen. Inzwischen ist Freixenet längst ein Exportschlager. Die Kellerei produziert jährlich 244 Mio. Flaschen Cava, aber auch Wein, und unterhält neben dem Hauptsitz in Sant Sadurní d'Anoia Niederlassungen in 20 Ländern in aller Welt.
Die geografisch breite Aufstellung half dem Unternehmen auch, die Krise in Spanien einigermassen gut zu überstehen. Inzwischen sind 75% der Produktion für die Ausfuhr in nahezu 140 Länder bestimmt. Deutschland ist mit 45% der wichtigste internationale Absatzmarkt für das Unternehmen. Dort allerdings hatte Freixenet jüngst die Preise empfindlich angehoben, was so manchen Konsumenten missfallen und zu einem Umsatzeinbruch von 20% geführt hatte.

Von Boykott zu Boykott

Nicht nur unternehmerische Fehlentscheidungen und die schwere Krise auf dem Heimatmarkt, die mit einer sinkenden Nachfrage einherging, haben der Kellerei jüngst zugesetzt. Hinzu kamen neue Konkurrenten im gleichen Preissegment und nicht zuletzt politische Gründe: Ein katalanisches Produkt zu sein, ist dem Cava zumindest zu Hause in Spanien nicht immer zugutegekommen. Das Streben der ostspanischen Region nach Unabhängigkeit empfinden nämlich viele konservativ denkende Spanier als einen Affront gegen ihr Land. Schon vor Jahren war, ausgerechnet zur Weihnachtszeit, in Internetforen zum Boykott katalanischer Produkte aufgerufen worden. Die Cava-Branche hatte das besonders schmerzhaft zu spüren bekommen.
Freixenet selbst machte sich zudem doppelt unbeliebt. Galt die Kellerei im restlichen Spanien als «typisch katalanisch», so setzte sich das Unternehmen später bei patriotisch denkenden Katalanen mit einer prospanischen Haltung in die Nesseln. José Luis Bonet, Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens und gleichzeitig Präsident der spanischen Handelskammer, hatte immer wieder vor denverheerenden Folgen einer Abspaltung von Spanien gewarnt.


Fazit: Ob bei Oetker-Henkell bald die Korken knallen?

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