Montag, 11. April 2016

Passauer Neue Presse: Hohe Dunkelziffer bei der Alkoholsucht: Höhenrainer Dorfverein besuchte Bezirksklinikum

Das Bezirksklinikum Mainkofen einst und jetzt - zwei Bausteine, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch untrennbar miteinander verbunden sind. Dies erläuterte Krankenhausdirektor Gerhard Schneider am Donnerstagabend den etwa 20 Mitgliedern des Höhenrainer Dorfvereins in der Bauernstube. Zum Thema "Sucht" sprach anschließend Oberarzt Dr. Afrim Emini.

Das Wort stamme aus dem Altgermanischen, sagte der Arzt. Bekannt seien früher vor allem die Begriffe "Schwindsucht" und "Wassersucht" gewesen. Erst 1969 sei die Sucht als eigenständige Erkrankung anerkannt worden. Sucht sei ein unabweisbares Verlangen. Dieses Verlangen würden den Kräften des Verstandes untergeordnet. Ob Alkohol, Drogen, Medikamente, Konsum, Sex - die Palette der Sucht sei riesig, so Dr. Emini.

Den Drogenhunger bezeichnete er als Drogen suchendes Verhalten. Als Gründe für eine Sucht gab er zum Beispiel die Verfügbarkeit von Drogen an, persönliche Faktoren, Einflüsse und auch kulturellen Kontext. Auch genetische Faktoren und belastende Ereignisse könnten zur Gefahr eines Suchtkonsums werden. Dabei würden auch die Risikobereitschaft, das soziale Umfeld und die Erziehung eine große Rolle spielen.

Alkoholsucht zum Beispiel werde in mehrere Phasen eingeteilt: die präalkoholische Phase, die Pradromalphase, die kritische Phase und die chronische Phase. Würden Amnesie, Wesensveränderungen und eine morgendliche Entzugserscheinung auftreten, sei die Sucht in vollem Gange, mahnte der Arzt an. Auch Schäden an der Leber, im Magen- und Darmtrakt, Immunsystem, Muskelabbau oder bei der Potenz würden sich einstellen. (Erhöhter) Alkoholkonsum sollte frühzeitig erkannt werden, gab Dr. Emini zu bedenken.

Die Zahlen würden für sich sprechen: Eine Statistik gibt an, dass im Bundesgebiet 10,4 Millionen Menschen als Risikokonsumenten eingestuft würden, 5,0 Millionen seien messbar, 2,5 Millionen abhängig und 150 000 in Behandlung - eine Aussage, die die Zuhörer doch sehr überraschte. Die Dunkelziffer dürfte bei Alkoholsucht weitaus höher liegen. Eine Statistik des Jahres 2011 belegt, so der Arzt, dass in Mainkofen 1653 Personen wegen Alkohol und 896 wegen Drogen stationär behandelt wurden. Von Jahr zu Jahr würden es mehr. Man dürfe also das Thema "Sucht" nicht außer Acht lassen: Selbsthilfegruppen, Suchtberatungsstellen, Kurzzeitentwöhnung, ambulante Therapien und vor allem Langzeitentwöhnung würden den Betroffenen helfen, so Dr. Emini abschließend.

Einblick in die Geschichte Ausführlich informierte Gerhard Schneider über die 1911 eröffnete Heil- und Pflegeanstalt, ihre Geschichte und Rolle nach der Machtübernahme der Nazis. Aufmerksam und erschüttert verfolgten die Höhenrainer die Ausführungen über das negative Kapitel im Klinikum, die T4-Aktionen (604 Getötete) und den "Hungerkosterlass", der in Mainkofen 762 Menschen das Leben kostete.

Nach dem Krieg wurde in Mainkofen bis heute immer wieder gebaut, das Gesicht des Klinikums veränderte sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Auch in den kommenden Jahren wird Mainkofen eine Großbaustelle sein. Nach dem Vortrag lud Krankenhausdirektor Gerhard Schneider die Höhenrainer zum Besuch der Gedenkstätte ein.


Fazit: Erst 1969 ist in der BRD die Alkoholsucht als eigenständige Krankheit anerkannt.

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