Freitag, 29. April 2016

Münchner Abendzeitung: Die skurrile Posse um ein "Nicht-Bier": Eine Brauerei braut ein alkoholisches Getränk und schreibt drauf, es ist kein Bier. Für die Stadt verstößt das gegen das Reinheitsgebot

Bierernst. Der gebürtige Amerikaner und Wahl-Münchner David Walker (50) hat sich immer gefragt, woher dieser Ausdruck eigentlich kommt. Seit Montag weiß er es. Da bekamen er und seine zwei Geschäftspartner von der Brauerei "3 Brew" Besuch von der Stadt. Damit begann eine Posse, bei der man zumindest eine Augenbraue zweifelnd hochziehen möchte. Grund des Zwists ist das Reinheitsgebot - und da versteht der Bayer bekanntlich keinen Spaß.

Aber der Reihe nach. David Walker ist eigentlich Architekt, jedoch ein ziemlich umtriebiger. Vor einem knappen Jahr hatten er, Christian Rogner und Tilman Ludwig, der mit "Tilmans Biere" schon länger erfolgreich die hiesige Brauereiszene aufmischt, eine Idee: Warum nicht ein Bier brauen, das leicht ist wie Radler, aber nicht so pappig-süß schmeckt? Im September brachten sie ihr Sodabier heraus. Wasser, Hopfen, Malz, drei Prozent Alkohol, alles strikt nach dem Reinheitsgebot und ärgerfrei.

Der Ärger kam mit dem zweiten Projekt: "Extra Rein". Fünf Prozent Alkohol, Hopfen, Malz, Hefe - aber eben auch: Ingwer, Pfefferminze, Zitronenverbene und Basilikum. In Zeiten, in denen ganz Deutschland das Reinheitsgebot feiert, macht "3 Brew" das Gegenteil. "Das ist unser Statement dazu", sagt Walker. Er versteht nicht, warum es nach Reinheitsgebot okay ist, mit Hopfenextrakt zu brauen und beim Brauprozess Polyvinylpyrrolidon, ein Plastik, zu verwenden, aber Zitronenschale oder Grapefruit tabu sind. Aber Gesetz ist Gesetz. Deshalb steht auf dem "Extra Rein"-Etikett nicht "Bier" sondern "Brauspezialität". Im Internet wirbt "3 Brew" auf Instagram mit Texten wie "Nicht nach dem Reinheitsgebot, dafür mit reinsten Zutaten".

Dem KVR stieß das trotzdem sauer auf. Nachdem der BR am Wochenende über "Extra Rein" berichtet hatte, schickte die Behörde Walker am Montag einen Kontrolleur vorbei. Der wollte Proben mitnehmen. Und die bekam er auch.

Die Brauerei soll das Wort "Craft Beer" aus ihren Postings löschen

"Es ist verständlich, dass man das Produkt analysieren will", sagt Walker. Schließlich wollen die Behörden wissen, ob das, was auf dem Etikett steht, auch drin ist. Was Walker und seine Geschäftspartner nicht verstehen, ist die Mail, die er ein paar Tage später bei ihnen eintrudelte: Sie sollten die Worte "Reinheitsgebot" und "Craft Beer" aus ihren Internetpostings entfernen. "Diese Begriffe dürfen, da es sich um kein Bier handelt, nicht verwendet werden", steht in der Nachricht.

"3 Brew" darf also nicht mehr schreiben, dass ihr "Nicht-Bier" kein Bier ist. Da kann einem schon mal der Kopf rauchen.

Laut KVR könnte durch die Begriffe ein falscher Eindruck beim Verbraucher entstehen. "Wenn man damit wirbt, kein Bier zu sein, dann muss man da auch konsequent sein", sagte ein Sprecher der AZ. Konsequent heißt: Begriffe wie Reinheitsgebot nicht verwenden.

Walker und seine Kollegen machen jetzt aber erst einmal - nichts. Die Proben sind beim Amt, die Bearbeitungszeit ist laut KVR nicht absehbar. Walker rechnet aber mit einer baldigen Antwort: "Ich denke, die schaffen das in Rekordzeit."


Fazit: In der BRD steht das Reinheitsgebot ganz weit oben auf der saufkulturellen Agenda.

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