Mittwoch, 13. April 2016

Berliner Zeitung: Am Ende des Traums: In seinem Roman "Westlich des Sunset" erzählt Stewart O' Nan von Francis Scott Fitzgeralds tragischem Scheitern in Hollywood

Als Francis Scott Fitzgerald im Frühjahr 1937 nach Hollywood kommt, ist er einer der berühmtesten Schriftsteller der Welt - den allerdings kaum noch jemand kennt. Das ist kein Wunder, er kennt sich ja selbst nicht mehr. Verzagt wie er ist, versinken die glänzenden Jahre seiner Karriere immer tiefer im Nebel der Erinnerung. Längst vergangen jene Tage, da sich die Illustrierten mit seinem Namen schmückten. Nur waren die Geschichten, die sie druckten, öfter über ihn als von ihm. Der Autor, dessen epochaler Roman "Der große Gatsby" heute als ein Meisterwerk der Moderne gilt, machte zu seinen Lebzeiten eher mit seinen Eskapaden Furore als mit seinen Büchern.  

  Aber nun sind nicht einmal mehr seine Affären von Interesse. Als er das erste Mal nach Hollywood gekommen war, "hatte er triumphal in die Stadt Einzug gehalten. (...) Doch als er jetzt den Bahnsteig betrat, war niemand da, um ihn zu begrüßen. Er nahm sein Gepäck, hielt ein Taxi an und verschwand im Verkehr."  

  Stewart O'Nan erzählt in seinem biografischen Roman "Westlich des Sunset" vom Abstieg eines Mannes, dessen Lebensplan nur eine Richtung vorgesehen hatte: nach oben. Aus prekären Mittelstandsverhältnissen stammend, hatte sich Fitzgerald als junger Autor schnell einen Namen gemacht. Früh war er zu Geld, Ruhm und einer schönen Frau gekommen, der Südstaatlerin Zelda Sayre, mit der er für den Boulevard ein Glamourpaar der Goldenen Zwanziger abgab.  

  Als Zelda in jungen Jahren an Schizophrenie erkrankt, vermutlich eine bipolare Störung, wenden sich die Reichen und Schönen, denen sie sich so dringend zugehörig fühlen wollen, bald von ihnen ab. Das Paar flüchtet sich in Drogen und Alkohol, Zelda wird in Nervenheilanstalten eingeliefert, wo ihr niemand helfen kann. Fitzgerald, dem als Autor kein Erfolg mehr beschieden ist, versinkt zunächst in Schulden, was ihn als Lohnschreiber nach Hollywood führt und später in Schuldgefühle, als er sich an den Werkbänken der Traumfabrik in die Klatschreporterin Sheilah Graham verliebt, mit der er eine in jeder Hinsicht intensive Beziehung beginnt.  

  Stewart O'Nan bewegt sich mit großem Einfühlungsvermögen in diesem emotionalen Dreieck aus Mitleid, Leidenschaft und Feigheit, in dem sich Fitzgerald gefangen fühlt. Seine Ehefrau Zelda wird er niemals verlassen, obwohl sie ihm bei jedem seiner Besuche fremder erscheint und sie auch längst etwas von dieser Gefährtin in Hollywood ahnt. Seiner Geliebten wird er nie ganz nahe kommen, weil er immer noch die Verantwortung für seine kranke Frau empfindet. Und dann ist da noch die Tochter Scottie, deren wunderbares Erwachsenwerden ihm vor Augen führt, dass er als Vater bald nicht mehr gebraucht werden wird. Fragt sich, was bleibt. 

  Hollywood erscheint in diesem Roman eines zerfallenen Lebens vor allem als Kulisse für Gastauftritte. Die gibt es reichlich, von Humphrey Bogart bis Marlene Dietrich. Wer den letzten Film der Coen-Brüder gesehen hat, weiß, wie es da zugeht.  

  PROMINENT BESETZT  

  Stewart O'Nans neuer Roman spielt in der Glanzzeit von Hollywood, als in den Studios oft an mehreren großen Filmen zugleich gearbeitet wurde. In speziell eingerichteten Schreibstuben arbeiteten Schriftsteller an den Drehbüchern.  

  Francis Scott Fitzgerald arbeitete bis zu seinem Tod 1940 in Hollywood. Er wurde nur 44 Jahre alt. Im Roman trifft er auf Stars wie Joan Crawford, Vivien Leigh, Katharine Hepburn, Spencer Tracy, Dorothy Parker, Myrna Loy - und Hemingway. 


Fazit: Lektüretipp

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