Mittwoch, 13. April 2016

Die Welt: Sommelier Billy Wagner: "Der Rausch gehört zum Menschsein dazu"

Ein Trinkverbot in der Öffentlichkeit findet Sommelier Billy Wagner schwierig. Jeder habe ein Recht auf Rausch. "Alkohol gehört zur menschlichen DNA", sagt er und gönnt jedem Berliner sein Fußpils.
Berlin ist Deutschlands Feierhauptstadt Nummer eins. Und zum echten Berlingefühl gehört auch die Flasche Bier unter freiem Himmel. Heerscharen von Haupstadtbesuchern genießen im Sommer die lauen Abende an der Spree. Und Partygänger bringen sich mit einem Wegbier, in Berlin gerne auch "Fußpils" genannt, in Schwung.

 Seit 2006 übrigens völlig legal, denn pünktlich zur Fußball-WM hatte der damalige rot-rote Senat das Verbot des Trinkens auf der Straße abgeschafft. Für Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) nimmt das öffentliche Trinken inzwischen überhand. Sie erwägt, in den wildesten Partykiezen ein Alkoholverbot zu verhängen. Ein Gespräch mit Billy Wagner, Inhaber des Berliner Lokals  "Nobelhart und Schmutzig". 

 Die Welt:  Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer will das öffentliche Trinken in Berlin verbieten. Sie meint, das vertreibe die Touristen.

 Billy Wagner:  Wirklich? Die kommen doch gerade deshalb, weil man das hier kann! Fragen Sie mal die Amerikaner. Die sagen immer: You are from Germany? Great! You can drink on the street! Das gehört doch dazu. Ich finde die grundsätzliche Reglementierung von allem und jedem schwierig. Am Ende dürfen wir nicht mal mehr in der eigenen Wohnung rauchen oder trinken. Wo kommen wir denn da hin!

 Die Welt:  Der Nanny-Staat ist mit Ihnen also nicht zu machen.

 Billy Wagner:  Natürlich ist Alkohol ein Rauschmittel. Aber der Rausch gehört zum Menschsein dazu. Wir können uns betäuben, also tun wir es. Heutzutage ist doch das ganze Leben auf Effizienz ausgerichtet. Da ist es gut, wenn es die Möglichkeit gibt, sich auch mal wegzublasen. Egal, ob das der 500-Euro-Wein ist oder der Chantré vom Späti. Der eine hat eben mehr Geld, der andere weniger.

 Die Welt:  Aber das Recht auf Rausch haben beide?

 Billy Wagner:  Unbedingt! Und wenn er das Recht nicht hat, holt er es sich. Natürlich gibt es auch Probleme mit Alkohol - aber die Ursachen sind dann meist andere.

 Die Welt:  Sie als Sommelier sind doch vom Fach. Was hat der Alkohol anderen Drogen voraus?

 Billy Wagner:  Er ist legal! Und es ist natürlich auch eine kulturelle Droge. Es gibt ihn schon seit ewigen Zeiten, ganze Industrien leben davon. Wenn ihn heutzutage jemand erfinden würde, würde er garantiert niemals zugelassen. Aber da es ihn schon so lange gibt, gehört er praktisch zur menschlichen DNA.

 Die Welt:  So wie das Feiern zur Berliner DNA gehört?

 Billy Wagner:  Dass Berlin so erfolgreich ist, hat genau mit dieser Freizügigkeit, mit dieser Grenzenlosigkeit zu tun. Das ist ein wichtiger Multiplikator. Partyveranstalter aus der ganzen Welt kommen hierher. Dass Berlin so viele Kreative anzieht, ist wichtig für die Stadt - aber letztlich auch für ganz Deutschland. Was in Berlin funktioniert, funktioniert irgendwann auch anderswo - auch kulinarisch. Sogar Jena soll jetzt einen Burgerladen haben.

 Die Welt:  Apropos kulinarisch. Da sind die Menschen ja durchaus gesundheitsbewusster geworden, Slow Food, Low Carb, regionale Küche, all das. Einen Trend, denn Sie ja mit Ihrem Restaurant auch bedienen.

 Billy Wagner:  Mir ist wichtig, dass wir bewusst genießen. Dass wir uns dafür interessieren, was wir zu uns nehmen. Und natürlich gibt es diese Hashtagkultur auf Instagram, "#cleaneating" und so weiter. Aber trotzdem ballern sich jedes Wochenende im Berghain Tausende von Leuten so richtig weg. Das ist auch ein Kanalisator. Was passiert, wenn es solche Druckventile nicht gibt, sieht man ja überall auf der Welt.

 Die Welt:  Man muss sich also ab und an abschießen, um nicht zum IS überzulaufen?

 Billy Wagner:  Wahrscheinlich! (lacht) Von einem schönen Abend zehrt man doch unheimlich lange, auch wenn der Morgen danach meistens etwas anstrengend ist. Aber man muss natürlich seine Grenzen kennen. Ich selbst trinke zum Beispiel während der Arbeit gar keinen Alkohol, weil ich lieber privat etwas trinken möchte. Aber wenn im öffentlichen Raum nicht mehr getrunken werden soll, mache ich meinen Laden zu.

 Die Welt:  Das heißt, Sie gönnen jedem Berliner sein Fußpils?

 Billy Wagner:  Unbedingt.


Fazit: Fußpilz ist ein ernstes Thema.

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