Sonntag, 17. April 2016

Süddeutsche Zeitung: Geschmacksfrage: Irischer Whiskey ist nicht besser oder schlechter als schottischer Whisky. Er ist schlicht anders

Die erste und zugleich wichtigste Regel beim Whisk(e)trinken lautet: Augen auf beim Lesen der Karte! Amerikanische und irische Whiskeys werden nämlich mit einem “e“ im Namen geschrieben, schottische hingegen ohne: Whisky.

Man kann sich das wirklich sehr leicht merken mit einer einfachen Eselsbrücke: Aus Irland (Ireland) und Amerika stammen Whiskeys, die sehr weich sind. Whiskys mit Rauch oder Torf im Aroma gibt es hongegen nur in Schottland - weit und breit kein “e“ in Sicht. Auch nicht in Japan - ein Land, aus dem immer mehr hervorragende Whiskys stammen. Wenn man also einen weichen Whiskey trinken möchte, kann ab hier kaum mehr etwas schiefgehen.

Außer - ja, slbstverständlich gibt es sie, die Ausnahme von der Regel - man bestellt einen “Connemara“, den einzigen rauchigen Whiskey Irlands, benannt nach der einsamen Region im rauhen Westen der Insel. Und wo wir schon bei den Ausnahmen sind: Es gibt auch amerikanischen “Whisky“, nämlich wenn er von schottischen Einwanderern produziert worden ist, wie beispielsweise der “Dickel“. Weil das Gros der Einwanderer jedoch Iren waren, schreibt sich amerikanischer Whiskey irisch.

Sollte aber ein Jameson, Kilbeggan, Green oder ein Yellow Spot, ein Readbreast oder Paddy im Glas gelandet sein, so ist man weich gebettet für den Weg in die Whiskey-Welt. Die Aromen sind in der Regel samtig und sahnig und weisen Getreide-, Honig- und Zitrusnoten auf. Oft ist irischer Whiskey dreifach destilliert, dadurch wird mehr Alkohol von der Maische getrennt. Der irische Whiskey ist also klarer als der Scotch und nimmt deshalb durch die Fasslagerung den weichen Geschmack auf.

Gelagert wird in gebrauchten Bourbon-Fässern, in denen - wie der Name nahelegt - zuvor also amerikanischer Whiskey reifte. Und weil Bourbon größtenteils aus Mais hergestellt wird und entsprechend süß ist, oftmals nach Vanille schmeckt und für gewöhnlich in Eichenfässern gelagert wird, schmeckt auch der irische Whiskey so. In Rosmarinmarinade eingelegtes Steak nimmt ja auch den Geschmack von Rosmarin an. Man kann das nun durchdeklinieren - mit gebrauchten Sherry-, Portwein- oder Madeirafässern zum Beispiel.

Wenn man Whiskey aus einem tulpenförmigen Nosing Glas trinkt, das die Aromen besser zur Geltung bringt, kann man die Fasslagerung regelrecht riechen. Aus einem ehemaligen Sherryfass duftet er fruchtiger, aus einem einst mit Portwein befüllten würziger und aus dem Madeirafass süßlicher. Aus einem Tumbler hingegen riecht alles ähnlich. Wer nicht auf das “Mad Men“-Gefühl verzichten möchte, trinke weiterhin aus einem geschliffenen Kristallglas, so wie die Werber aus der gleichnamigen Fernseh-Serie, die mit einem Drink so ziemlich jedes Problem lösen - oder das zumindest glauben. Allerdings ist der Tumbler nur eine verdelte Form des Wasserglases - aus dem man während der Prohibition unauffällig Whiskey trank. Dem klischeetreuen Trinker mag das genauso wenig gefallen wie die Tatsache, dass weder in Whiskey noch in Whisky eigentlich Wasser gehört - zumindest nicht in Form von Eiswürfeln. Whisk(e)y wird bei Zimmertemperatur getrunken und verlangt nur nach Wasser, wenn der Alkoholgehalt über 46 Volumenprozent liegt.

Das ist der Fall, wenn Whisk(e)y in sogenannter Fassstärke abgefüllt wird. Normalerweise wird Whisk(e)y nach der Reifung im Fass mit Wasser verdünnt, so dass er beim Trinken zugänglicher ist und zum anderen bei jeder Abfüllung gleich schmeckt.  Bei Whiskey in Fassstärke hingegen belässt man den natürlichen Alkoholgehalt, der in manchen Fällen bei bis zu 60 Prozent liegen kann. Weil Alkohol nach wie vor ein Nervengift bleibt, verändern sich die Aromen mit der Beigabe einiger Tropfen Wasser - was keinesfalls ein Zeichen von Weicheierei ist, sondern eher eine Auszeichnung gegenüber den naserümpfenden “Schorle“-Schreiern.

Aber ganz gleich aus welcher Lagerung und welchem Lager er kommt: Irischer Whiskey ist weder besser noch schlechter als schottischer Whisky. Er ist einfach nur anders, Debatten darum lohnen also nicht. Weil er neben gemälzter auch aus ungemälzter Gerste, aus Hafer, Roggen und Weizen besteht, weil das Getreide nict über Torffeuer getrocknet wird und weil das Destillationsverfahren anders ist. Wem der Sinn also nach Torf und Rauch steht, der orientiere sich geschmacklich an Schottland, wer es mild mag, an Irland oder an den USA und wer sich gerne Hypes ergibt, versucht es mit Japan. Hierfür braucht es bloß ein gefülltes Bankkonto und die Bereitschaft, sich von allen Regeln zu verabschieden. In Japan wird nach irischem Verfahren gebrannt, nach schottischem getorft und nach amerikanischem vermarktet. Gemeinsam haben Schottland und Irland aber immerhin den gälischen Tringruß - sláinte!


Fazit: Hipster greifen zu japanischem Whisky.




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