Sonntag, 17. April 2016

Süddeutsche Zeitung: Der Sprit ist zurück: Jahrzehntelang spielte irischer Whiskey kaum noch eine Rolle. Jetzt entstehen aber auf der Insel wieder neue Destillerien



Jack Teeling sitzt in einem Fass, so jedenfalls soll das Separee in seiner neuen Destillerie aussehen. Innenwände und Decke sind zu einem Halbkreis gewölbt und mit langen Holzlatten beschlagen, das Fenster ist rund wie der Bodn eines Whiskey-Barrels. Teeling leistet sich gern ein paar Extravaganzen, das gehört zum Geschäftsmodell. Seine Destillerie mitten in Dublin ist erst zwei Jahre alt, sieht aber mit der auf alt getrimmten Backsteinfassade von außen aus, als könne sie ebenso gut aus jener Zeit stammen, als James Joyce seinen “Ulysses“-Protagonisten Leopold Bloom durch Dublin streunen ließ - als irischer Whiskey noch den Weltmarkt beherrschte, die Pubs und die Köpfe irischer Männer.

Auf einem Tisch steht eine Flasche aus mattgrünem Glas, als wäre sie aus einem versunkenen Dreimaster geborgen. “Sehen Sie“, sag Teeling, “im 19. Jahrhundert konnte man kein klares Glas auftreiben, weil die Technologie nicht so weit war.“ Weil die Flasche für den neuen Whiskey aus seiner Destillerie den alten ähneln soll, ist Jack Teeling nach Italien gefahren und hat dort eine kleine Manufaktur gefunden, die solches mattes Glas schon seit Jahrhunderten herstellt. Das Etikett dagegen ist picobello, mit einem Phönix, der mit ausgebreiteten Schwingen aus einer Brennblase steigt. Nur auf gespielte Patina machen geht natürlich auch nicht, wenn man die Zukunft gewinnen will. “Spirit of Dublin. Teeling Distillery“, steht da in feinem, geschwungenem Schriftzug. “Spirit of Dublin“ also - zweideutiger geht es ja kaum.

Teeling will mit seiner hochprozentigen Spirituose den Geist der Vergangenheit beschwören, anknüpfen an den vortrefflichen Ruf, den irischer Whiskey in der Welt einmal genoss. All das hat sich ja ziemlich verflüchtigt; in Dublin selbst wurde schon seit Jahrzehnten nichts mehr gebrannt. Und wer weiß, hätte sich nicht Irish Coffee als Drink in Europa etabliert, für den irischer Whiskey noch gut genug war, so hätte es für ihn womöglich überhaupt keine Verwendung mehr gegeben. Aber nun ist wieder einiges im Fluss. Nach Jahrzehnten der Finsternis entstehen in Irland wieder neue Destillerien, die Produktion hat sich vervielfacht, der Export wächst seit einigen Jahren zweistellig. Und auch die Iren trinken wieder irischen Whiskey. Teeling ist vielleicht das größte Symbol für das Revival.

Zusammen mit seinem Bruder Stephen hat Jack die Teeling-Destillerie 2014 aufgemacht, es war die erste Eröffnung dieser Art in Dublin seit mehr als 120 Jahren. Am alten Newmarket Square, etwa 15 Minuten Fußweg von der St. Patrick's Cathedral entfernt. Und nur 100 Meter von jener Marrowhone Lane, in der Ende des 18. Jahrhunderts schon ihr Vorfahre Waltr Teeling Whiskey produzierte. Damals gab es allein an der alten Stadtmauer fast 40 Dstillerien. Unter drei aus Italien eingekauften gewaltigen Kupferkesseln fließt der Fluss Poddle, von dem es in einem irischen Folksong heißt: “Down by the river Poddle there was Whiskey, stout and coddle/It was there with all the gentle folk, we laughed and danced then sang.“ Ein Prosit auf all die rauschhaften Zeiten, Irland erlebt hat.

Für den langen Abstieg der irischen Whiskey-Produktion gab es natürlich ein paar handfeste Gründe: den Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten, der dn Marktzugang zum britischen Empire gekostet hat; den irischen Bürgerkrieg, schließlich die Prohibition in den USA. “Das war der letzte Sargnagel“, sagt Telling, “denn Amerika mit all seinen irischen Einwanderern war traditionell unser großer Exportmarkt. Danach kamen wirklich schwarze Zeiten.“ Der irische Whiskey wurde um Längen vom Scotch abgehängt, der mit seinen preisgünstigen Blends absolut massentauglich wurde. In Irland dagegen blieb nur noch eine handvoll Destilleien übrig: Jameson, Cork, Powers, Bushmills. In der Not schlossen sie sich in den 60er-Jahren zu den Irish Distillers zusammen, die später vom französischen Konzern Pernot-Ricard übernomen wurden. 1987 entstand immerhin noch die unabhängige Destillerie Cooley, die das kleine nationale Monopol durchbrach - gegründet von John Teeling, dem Vater von Jack und Stephen Teeling. Die Söhne haben nun also den Whiskey in die irische Hauptstadt zurückgeholt.

Bis der erste in Dublin destillierte Tropfen auf den Markt kommt, dauert es allerdings noch ein Jahr. Whiskey muss mindestens drei Jahre im Fass reifen, irischer sogar drei Jahre und einen Tag - diese geringfügige Spanne wollen sie den schottischen Produzenten wenigstens voraus sein. Die bisherigen Teeling-Abfüllungen stammen deshalb aus Familienbeständen, die außerhalb Dublins produziert wurden. Ihre Single Malts sind bis zu 30 Jahre gelagert, manche gleich in fünf verschiedenen Sherry- und Weinfässern, der 15-jährige wiederum ausschließlich in einem karibischen Rumfass, das eine deutlich fruchtige Rosinennote gibt. An der irischen DNA wollen die Teeling-Brüder nichts verändern: Irische Whiskeys sind milder, ja süßer als schottische, was vor allem daran liegt, dass das Malz beim Trocknen nicht dem Rauch von Torffeuer ausgesetzt wird.

Aber die Teelings experimentieren in Nuancen, füllen etwa für die Premium-Sorte Small Batch den Whiskey nach sechs Jahren im Bourbon-Fass noch einmal für ein weiteres halbes Jahr in ein Rumfass. Es ist natürlich Geschmackssache, und ob alle Kunden diese subtilen Noten von Vanille, Aprikose oder Zimt überhaupt ausmachen, erscheint fraglich. Für Jack Teeling ist das aber zweitrangig: “Hauptsache, der Whiskey und zugänglich und zugleich interessant. Vor allem die junge amerikanische Generation probiert gerade einiges aus, denn sie will etwas Neues, nicht das, was ihre Eltern schon seit 20, 25 Jahren trinken.“ Gängigen Blended Scotch etwa, der seit Jahrzehnten die Märkte beherrscht. “Da kommt der irische Whiskey gerade recht“, hofft er.

Mit den schottischen Kollegen können die irischen am Markt bei Weitem noch nicht mithalten. Sieben Millionen verkaufte Neun-Liter-Kisten gegenüber 90 Millionen Kisten schottischen Whiskys ist noch immer eine grandiose Distanz, und die schottischen Hersteller investieren neuerdings ja auch verstärkt, weil die Nachfrage nach Whisky, der praktisch nur in Irland und Amerika mit “e“ geschrieben wird, weltweit gestiegen ist. Es ist der internationale Trend, der aus Teelings Sicht stimmt, “und in diesem Trend wollen wir eine Rolle spielen.“

In Irland selbst ist der Aufschwung bereits gut sichtbar. Im Celtic Whiskey Shop, dem vielleicht bestsortierten Spirituosenladen in Dublin, füllt irischer Whiskey schon eine nennenswerte Regalwand, die noch zwei Jahre zuvor mit schottischen Konkurrenzmarken belegt war. Das Scotch-Angebot ist trotzdem noch größer.

Was für die Palace Bar freilich nicht gilt. Sie liegt im Temple Bar-Viertel, und es gab sie schon, als dort noch Pferdekutschen durchfuhren. Eine Schenke mit viel echter Patina und etwas Bluff. Anders als im Pub unten ist die Whiskey-Bar im ersten Stock sehr viel neuer, als das Innere glauben lässt: ein Ambiente aus dunklem, engem Hotelpub und Omas Wohnzimmer. Das Licht ist stark gedämpft, goldbraun schimmert das Lokal. Hinter den Glastüren dunkelbrauner Holzschränke stehen Whiskey-Flaschen in Reih und Glied. Es ist ein Ort, an dm manche Gäste noch Guiness trinken, die meisten jedoch Whiskey. Irischen.

Micheàl Dowhnaill ist Bar Keeper in der Palace Bar, ein junger Student, der den Gästen aber ziemlich sattelfest den Barbestand erklären kann: die diversen Abfüllungen von Locke's, Irishman und Connemara, Powers Pot Still, die Readbreasts, die Teelings. “Whiskey ist wirklich hip geworden“, sagt Dowhnaill. Das weiß er auch aus privater Erfahrung. Noch vor ein paar Jahren trank er mit seinen Freunden außer Whiskey vor allem Wodka und Gin. “Einen Gin gibt es auch jetzt noch ab und zu“, sagt er. Aber den Wodka lassen sie nun weg.


Fazit: Die Dominanz des Whiskys wird der Whiskey nicht brechen.



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