Sonntag, 3. April 2016

Neue Zürcher Zeitung am Sonntag: Winzer mit Geduld: Henri Bonneau, ein unorthodoxer und sehr erfolgreicher Weinbauer aus Châteauneuf-du-Pape, ist 77-jährig gestorben



Er verkörperte wie kein zweiter ein Frankreich, das ruraler nicht sein könnte. Wenn er Weinliebhaber aus der ganzen Welt empfing, trug er eine bäuerliche Latzhose, ein kariertes Hemd, eine Strickjacke, eine Schirmmütze auf dem Kopf, die Füsse steckten in schweren Schuhen. Die Arbeitskluft eines Winzers eben.

Henri Bonneau machte zwar einen der begehrtesten Weine der Welt. Aber sein Haus in Châteauneuf-du-Pape am Ostufer der südlichen Rhone hat nichts von einem modernen Weingut, wo Weinprüfer in weissen Laborschürzen in klinisch sauberen Kellern Proben nehmen und eine perfekt organisierte Marketingabteilung sich um den Verkauf der Ware kümmert. Bonneau stapfte als Mann von gestern durch den Weinmarkt. Nicht der Kunde, er war der König. Und er forderte mit patriarchialer Strenge, was er auch sich abverlangte: Geduld.

Sein schon fast unheimliches Gespür für den Wein wird dem Winzer in die Wiege gelegt. Als er 1938 geboren wird, mact man im Haus Bonneau seit 11 Generationen Wein. Der Keller mit den Fässern ist wohl noch älter. So sieht er auch aus - bis heute: bröckliges Gestein, Schimmel, morsches Holz. Es ist allerdings erst Henri Bonneaus Vater, der eigene Flaschen abfüllt und den Namen Bonneau zum Begriff macht.

Das Geheimnis seiner unglaublich schönen, komplexen und intensiven Weine? Darüber sollen sich andere den Kopf zerbrechen. “Urwüchsig und natürlich“, schreiben die Weinkritiker. “Keine Schmeichler und glatt gebügelten Weine.“ Oder einfach: “Die südfranzösische Landschaft, im Glas gebündelt.“ Man macht das Terroir, die Tradition, das natürliche Ökosystem im Keller. “Sehr kleine Erntemengen, fast keine Intervention im Keller, kein Filtrieren und Schönen vor dem Abfüllen.“

Das sind Annäherungen der professionellen Weinnasen. Henri Bonneau selbst redet nicht gerne über seine Weine. Sie sind einfach so, wie er sich auch ein Stück Brot oder ein Stück Fleisch wünscht: echt. Bekommt er vom Metzger eine, die diesem Anspruch erfüllt, bezahlt Henri Bonneau mit einer Flasche Châteauneuf-du-Pape - eine Flasche, für die ein Liebhaber gut und gern 200 Franken hinlegen würde. Das ist lange Zeit Bonneaus Geschäftsprinzip: Tauschhandel. Wem er warum und zu welchem Preis Wein verkauft, ist sein Geheimnis. Zuweilen kommt ein Kunde unverhofft und nach langem Warten zu ein paar Flaschen des begehrten Châteneau-du-Pape Réserve des Célestins, weil Bonneau gerade das Dach seines Hauses Rwnovieren muss. Erst in den letzten Jahren brachten professionelle Vertreiber etwas Ordnung und Übersichtlichkeit in den Verkauf seiner Weine, von denen er pro Jahr etwa 18 000 Flaschen abfüllt.

Unter Druck setzen lässt Bonneau sich zeit seines Lebens nicht. Bei einer Tante seiner Frau hat er gelernt, dass Genuss nicht allein ein momentanes Erlebnis ist, sondern immer eine Vorgeschichte hat. “Marie hatte Geduld und Gespür“, sagte er über sie. “Die beste Köchin der Welt.“ Einen seiner drei Châteaneuf-du-Pape-Weine hat er nach ihr benannt: Cuvée Marie Beurrier. Es ist keine Koketterie, wenn Henri Bonneau sagt, sein Vater habe die besseren Weine gemacht als er selbst: “Etwas Besseres al seinen 1934er gibt es nich.“ Auch darum weiss er als junger Mann tatsächlich nicht, ob er das Erbe seines Vaters antreten oder nicht doch irgendwo als Kich arbeiten will. Die Jagd und die Fischerei findet er ebenso attraktiv wie den Weinbau. Es scheint, als gehe mit dem Tod des geduldigen Winzers

Bonneau verbringt aber schliesslich sein ganzes Leben in Châteauneuf-du-Pape. Mit einer zweijährigen Ausnahme: 1958 und 1959 ist er Koch bei den französischen Truppen im Algerienkrieg. Darüber redet er wesentlich lieber als über seine Weine.

Am Ende seines Lebens ist Henri Bonneau schwer zuckerkrank. Sein Sohn wird das Erbe im Rebberg und im Weinkeller nicht antreten können. Er hat eine leichte geistige Behinderung. Es scheint, als gehe mit dem Tod des geduldigen Winzerscdie Tradition der Bonneau-Weine zu Ende. Und mit ihr ein Stück Savoir-vivre à la française.





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