Montag, 4. April 2016

Die Welt: Der Geschmack der Erde

Die Reben im größten Riesling-Anbaugebiet der Welt gedeihen auf unterschiedlichen Böden. Das führt zu einer einzigartigen Aromenvielfalt
Alle Rebsorten liegen uns am Herzen, aber wenn man von einem Spleen reden kann, dann ist es definitiv der Riesling", gesteht Tanja Gies, "weil der in Birkweiler und Umgebung einfach so toll ist." Das Südpfälzer Weingut Gies-Düppel füllt insgesamt zehn trockene Rieslinge ab. Obwohl Volker Gies mit Weißburgunder bekannt wurde, mit Riesling ist ihm der Durchbruch gelungen. Abgesehen von den Lagenweinen klassifiziert er ihn nach fünf verschiedenen Böden. "Bei den Terroir-Weinen soll jeder Boden den Ausschlag im Wein geben", erklärt er. Das gelingt Gies mit einer Präzision, die man schmecken kann. Vom kräuterigen Quartz über den salzig-mineralischen Schiefer, den geradlinigen, rauchigen Granit zum vollfruchtigen Roten Sandstein und dem saftigen, anregenden, wirklich kalkigen Kalkstein. Alle in Sichtweite von der breiten Terrasse des hochmodernen Kellerbaus.
Die Pfalz macht es möglich. Die nach Rheinhessen zweitgrößte deutsche Weinregion schwang sich 2008 zum größten Riesling-Gebiet der Welt auf und ist noch weiter auf mittlerweile 5800 Hektar Anbaufläche gewachsen. Dass die Bedingungen für diese Rebsorte in der Pfalz so förderlich sind, hat neben klimatischen vor allem geologische Gründe. Als sich vor mehr als 50 Millionen Jahren die Alpen auffalteten, führte die Spannung der Erdkruste zu einem Grabenbruch. Magma trat hervor und erkaltete zu Basaltgestein. Als der Rheingraben absank, wurde er von einem tropischen Meer überflutet, das für Kalkablagerungen sorgte. Schließlich stiegen die Alpen vor nur fünf Millionen Jahren zum Hochgebirge auf, wobei sie nach Norden verschoben wurden. Im Rheingraben führte das zu unvorstellbaren Verwerfungen und dem außerordentlichen Bodenmix, der den Weinanbau hier zu etwas Besonderem macht.
Die Südpfalz, früher das Stiefkind der Region, verzeichnet eine regelrechte Qualitätsexplosion. In ihrem südlichsten Winkel, in Schweigen, wo Weingüter auch Lagen im französischen Wissembourg bewirtschaften, macht das Weingut Jülg von sich reden. "Unter dem Pfälzer Wald ist der Buntsandstein", weiß Werner Jülg."Tiefer haben wir den Rheingrabenbruch. Da ist durch die Absenkung Kalk und sandiger Lehm aufgetreten." Sohn Johannes hat 2013 Terroirweine eingeführt – Buntsandstein und Kalkmergel. Der erste mit tropischen Früchten, Eleganz und Trinkfluss, der zweite straff, mit Pep. "Die Weine sollen sich deutlich voneinander unterscheiden", betont Johannes Jülg. Wenn Gäste ihn fragen, was er empfehlen könne, stellt er ihnen beide Weine auf den Tisch. Und schon beginnt die Diskussion. "Das ist es, was wir wollen, dass sich die Leute über Wein unterhalten und nicht einfach nur konsumieren. Woher kommt das? Welches Gestein trinke ich?"
Darum geht es auch Frank und Manuela Meyer auf ihrem neuen Gutshof in Gleiszellen mit dem Riesling S Quarzsand. Der stammt von den Bergrücken im nahen Klingenmünster, zwei vor Jahrmillionen abgelagerten Sandbänken. "Ist doch egal, könnte man denken. Für uns aber ist dieser Sand mehr als ein Körnchen Weingeschichte: Auf ihm wachsen unsere filigransten Rieslinge!", schwärmt das Winzerpaar. Ein Wein, der mit schöner Frucht, Fülle und Seidigkeit bezaubert. Ganz im Gegensatz zu ihrem Kalkfels. Darauf zeigt sich der Riesling lebendig, mineralisch, mit erfrischender Zitrusfrucht.
Im Dorf Weyher bei Edenkoben sind Häuser und Torbögen aus rotem Buntstein erbaut. Auch der junge Georg Meier auf dem Weingut Valentin Ziegler profiliert sich damit. "Die Frucht ist Wahnsinn beim Riesling vom Buntsandstein", freut er sich. Auch seine anderen Rieslinge von Rotliegendem, Schiefer und dem mineralischen Granit sind faszinierend klar abgestuft. Welch ein Talent!
In Gönnheim zwischen Haardtgebirge und Rhein herrscht mildes Klima. "Wir haben ausschließlich Lössböden", beschreibt Vincent Eymann. "Auf der Großlage Sonnenberg ist er etwas kiesiger und der Lössanteil etwas höher und gut kalkdurchfüttert. Das ist die tragende Substanz unserer Böden." Obwohl die sich bestens für Rotwein eignet, überzeugt das biodynamisch arbeitende Weingut Eymann auch mit Rieslingen. Wie die 14 Monate auf der Vollhefe im Fass ausgebaute Einzellage Sonnenberg, die mit cremiger Textur, schöner Fülle und intensiver gelber Frucht bestens vorführt, warum Riesling auf Löss gefallen kann.
Die berühmtesten, vom Pfälzer Wald geschützten Lagen findet man an der Mittelhaardt zwischen Herxheim und Neustadt, zumal in Kallstadt, Wachenheim, Forst, Deidesheim und Ruppertsberg. Dort dominieren Buntsandstein-Verwitterungsböden mit Basalt, Kalkgeröll und lehmigem Sand. Das Weingut Reichsrat von Buhl, das 1869 die Weine lieferte, mit denen die Eröffnung des Suezkanals begossen wurde, verfügt über 24 Hektar in den feinsten Großen Gewächsen von Forst und Deidesheim.
Dieses sensationelle Potenzial wird seit 2013 von Richard Grosche und Mathieu Kauffmann, Ex-Kellerchef bei Champagne Bollinger, auf eine höchst ambitionierte Weise ausgeschöpft. Sie lassen die Rieslinge von Kirchenstück, Pechstein, Ungeheuer oder Jesuitengarten völlig durchgären. "Wir wollen halt den bestmöglichen Wein machen", betont Ex-Journalist Grosche. "Und es kommen die Unterschiede zwischen den Lagen viel besser heraus, wenn man sie ohne gleichmachenden Restzucker ausbaut." So zeigt jeder Wein seinen eigenen Charakter, aber sie alle verbindet eine unerhörte Dichte, Spannung und Länge. Ein Vorstoß in eine neue Dimension in der Pfalz.


Fazit: Biodynamischer Riesling überzeugt den Hipster.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Zensiert wird nicht. Allerdings behalte ich mir vor, Kommentare mit verletzendem Inhalt (Hass, Rassismus, Sexismus) von der Veröffentlichung auszuschließen.