Mittwoch, 27. April 2016

Berliner Morgenpost: Eiertanz um die Spätis

Wir müssen aufpassen in Berlin, dass wir nicht uncool, spießig und verspannt werden wie andere Städte des Landes. Es gibt Menschen, die wollen das beliebte Wegbier verbieten. Bald kommen welche, die wollen nachts eine generelle Sperrstunde einführen oder den Spätis untersagen, mir am Sonntag mein Bierchen für den Park zu verkaufen.

Nun ja: Das mit der Sperrstunde ist zugegeben noch eine unschöne Vision. Aber das Sonntagsverkaufsverbot für Spätverkaufsstellen ist längst Rechtslage in Berlin. Zwar halten sich nicht alle daran, aber in einigen Bezirken sind die Bußgeldverteiler längst unterwegs. Und man fragt sich, warum eigentlich.

Spätis dürfen am Sonntag Blumen, Milch, Brot, Zeitungen und Reisebedarf verkaufen, was immer das im Einzelnen sein darf. Alkohol nicht, Zigaretten auch nicht. Es hilft auch nicht, das "böse" Hauptsortiment am Sonntag abzudecken. Letztlich wird die Stadt Zeuge eines bürokratischen Eiertanzes, der vielfach in Schikanen für die finanziell meist nicht auf Rosen gebetteten Betreiber mündet.

Was spricht dagegen, kleine Spätis unterhalb einer zu bestimmenden Fläche als Sonderverkaufsstellen jenseits des offiziellen Einzelhandels zu definieren und den Eiertanz zu beenden? Niemand begreift, warum der Autofahrer an der Tankstelle all das erwerben darf, was dem Fußgänger im Kiez am Sonntag zu kaufen untersagt ist.

Dass Spätis dem Supermarkt Konkurrenz machen, ist absurd. Dazu sind die Sortimente zu klein, die Preise zu hoch. Kein Mensch, der bei Sinnen ist, wird seinen Wocheneinkauf am Sonntag im Späti erledigen, außer in einer Notlage.

Berlin muss tolerant und weltoffen bleiben, hat gerade wieder die Wirtschaft gefordert. Dazu gehört auch, dass Gewerbetreibende, die eine ganz spezielle Dienstleistung im Kiez erbringen, daran nicht gehindert werden, weil man Shoppingcentern das Geschäft am Tag des Herren untersagen möchte. Wenn Spätis laute Musik spielen, sich davor Trinker sammeln oder die Kunden in Hausflure pinkeln, sollten die Ordnungsämter einschreiten. Aber solche Probleme gibt es wohl eher in Wochenendnächten als am Sonntag.


Fazit: Der Trinker weiß das gut gekühlte Dosenbier am Späti zu schätzen.

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