Montag, 7. März 2016

Hamburger Abendblatt: Das Pariser Bistro stirbt aus

Den typischen Franzosen mit Baskenmütze und Gauloises im Mundwinkel, der, ein Baguette unter dem Arm, auf dem Weg zum Bistro ist, um dort an seinem Glas Rotwein zu nippen – ihn sucht man schon lange. Und nun sind die sich ändernden Lebensweisen auf dem besten Wege, auch der urfranzösischen Institution des Bistros den Garaus zu machen.

Zählte man vor einem halben Jahrhundert gut 200.000 Bistros in Frankreich, so sind es heute weniger als 35.000. Jahr für Jahr werfen mindestens weitere 500 Cafébesitzer das Handtuch. Als eine existenzielle Krise wird der Niedergang vom nationalen Gaststättenverband Synhorcat bezeichnet. Hauptverantwortlich ist ihm zufolge das strenge, im Januar 2008 eingeführte Rauchverbot in Restaurants und Cafés, welches beinahe allen Bistros Umsatzeinbußen von bis zu 30 Prozent bescherte.

Doch das eigentliche Problem ist ein anderes: Bistros kommen aus der Mode. Die Zeiten sind vorbei, in denen zumindest männliche Franzosen morgens im Stammbistro den ersten Café noir tranken und dabei einen Blick in die Zeitung warfen, während der Mittagspause für ein Sandwich oder Mittagstisch wiederkamen und schließlich den Arbeitstag mit einem Glas Rotwein oder Pastis beschlossen.

Meist sind es nur noch die älteren Menschen, die in den Bistros für Umsatz sorgen. Für diese "Piliers de bar" (Tresenpfeiler), wie verdiente Stammkunden in Frankreich genannt werden, ist das Bistro ein Lebensmittelpunkt geblieben, wo man seine Bekannten und Freunde trifft. Aber für die jüngeren Generationen gilt das nicht mehr. Sie kommunizieren über Facebook und treffen sich lieber in modernen Bars, die neben einem angesagten Dekor laute Musik, Cocktails und drahtloses Internet bieten.

Nicht die Traditionspflege, sondern eine "überlebensnotwendige Modernisierung" sei das Gebot der Stunde, heißt es deswegen bei Synhorcat. Die Bistros müssten dem Zeitgeist folgen, und dazu gehöre eine Änderung der Karte und bestenfalls auch "hübsche Kellnerinnen wie in den Szenebars". Fragt sich nur, ob ein auf edel gequältes Bistro, in dem Beinahemodels Hamburger oder Cocktails servieren, noch als Bistro durchgehen kann. 


Fazit: Nur die Szenebar überlebt.


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