Donnerstag, 10. März 2016

frauenzimmer.de:Strategie gegen Komasaufen: Übt mit euren Kindern das Trinken – Verbote wirken nicht!

Gepflegt mit dem Kind ein Glas Sekt süffeln?

Am liebsten würden wir unsere Kinder auf jede Eventualität des Lebens akribisch vorbereiten. Nur nicht beim Thema Alkohol. Da hacken wir ein Loch in den zugefrorenen See und schauen seelenruhig zu, wie sich die pubertierende Brut ohne Vorbereitung ins Eiswasser stürzt. Wie formuliert es ein dänisches Sprichwort so schön? Wenn das Schiff erst untergeht, ist es zu spät, Schwimmen zu lernen. Klaus Hurrelmann, Erziehungswissenschaftler an der Hertie School of Governance in Berlin, rät deshalb Eltern, mit ihren Kindern das Trinken zu üben. Damit sie lernen, wann sie damit aufhören sollten. 



In der Tat kann der unvorbereitete Erstkontakt mit Alkohol ganz schön in die Hose gehen. Nach der Party in der Garage von Tims Eltern endet man auf dem Sofa – den Eimer in Griffweite. Eventuell kann man sich nicht mehr exakt daran erinnern, welche Kirche man auf der Klassenfahrt besichtigt hat - dass man aber nie, nie, nie wieder Wermut pur trinken will, das weiß man seither ganz sicher. Oder man findet sich nach der Fete im Stadtpark im Krankenhaus wieder. Diagnose: Koma-Suff. Erfahrungen mit Alkohol, die mal anekdotisch, manchmal aber auch lebensgefährlich enden, hat vermutlich fast jeder in seiner Jugend mindestens einmal gemacht.

Denn die Droge Alkohol ist gesellschaftsfähig, nahezu allgegenwärtig – und hat es in sich: Tausende von Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen des Konsums (wobei die genannten Zahlen erheblich zwischen 15.000 und 74.000 schwanken). Organe können versagen, man kann im Rausch an Erbrochenem ersticken, Missbrauch kann dramatische Spätfolgen haben. Etwa 1,8 Millionen Menschen gelten als alkoholabhängig, so die Schätzung des Bundesministeriums für Gesundheit.

Und da sollen wir uns jetzt hinsetzen und gemütlich zusammen mit den Kindern ein Glas Sekt süffeln? Irgendwie schon, meint Hurrelmann: "Woher sollen die Jugendlichen denn wissen, wie man mit der legalen Droge Alkohol umgeht, wenn es ihnen keiner beibringt?" Strikte Verbote und Tabus würden wenig bringen. Und: Wer das klassische "das ist noch nichts für dich" im Erziehungsrepertoire habe, klammere eine ganz wichtige pädagogische Aufgabe aus: Dem Kind rechtzeitig beizubringen, wann genug ist. Immerhin machen Jugendliche heute oft schon mit elf Jahren ihre ersten Erfahrungen mit dem potenziellen Suchtmittel.

Vielleicht ist die Idee mit dem betreuten Trinken gar nicht so schlecht – besser, die Kiddies machen diese Erfahrung erstmal im Beisein der Eltern als irgendwo draußen am Baggersee. Der Experten-Tipp: Sich an das Thema herantasten und den richtigen Zeitpunkt finden. Trinken die Freunde schon manchmal Alkohol? Haben sie von Erfahrungen erzählt? "Dann wird es höchste Zeit, darauf zu reagieren", sagt Johannes Lindenmeyer, Suchtexperte und Begründer des Projekts 'Lieber schlau als blau'. Was nicht heißen soll, dass Papa jetzt jeden Freitag mit seinem 14-Jährigen ein Bierchen in der Eckkneipe zischen geht.
Jugendliche die Wirkung des Alkohols spüren lassen
Lernen Jugendliche jedoch im richtigen Rahmen – zum Beispiel bei einem Geburtstag oder einem anderen Familienfest – Alkohol kennen, lernen sie, dass das Trinken von Alkohol zu einem besonderen Ereignis gehört und in Gesellschaft stattfindet. "Wichtig ist es, im Vorfeld darüber zu sprechen und die Menge klar zu begrenzen", betont Hurrelmann. So haben die Kinder die Chance, die Wirkung von Alsterwasser, Weinschorle und und Co. im geschützten Umfeld zu erleben. Noch dazu ganz ohne den Druck, sich irgendjemandem beweisen zu müssen oder zu trinken, um 'dazuzugehören'.

Auch wenn der erste Rausch den Nachwuchs bereits erwischt hat, können Eltern noch viel tun, sagt Hurrelmann. Nach dem Motto: Wenn du schon trinken musst, dann wenigstens mit klugem Kopf, sollten Eltern sich mit ihrem Kind hinsetzen und es gezielt etwas trinken lassen. Gespräche und kleine Tests, zum Beispiel Matheübungen oder der Versuch, auf einer Linie zu laufen, zeigen dem Kind, wie einschränkend schon kleine Mengen Alkohol sein können. Hurrelmann ist überzeugt: "So ein Training ist die beste Vorbeugung gegen einen Vollrausch."

Elternteile, die sich selbst auf der Grillparty gerne mal die Kante geben, könnten im Zuge der innerfamiliären Kenn-Dein-Limit-Kampagne auch gleich mal über das eigene Trinkverhalten nachdenken. Schadet bestimmt weder dem Kind noch den Eltern, wenn in diesem Zusammenhang die gute alte Vorbildfunktion aktiviert wird.



Fazit: Das Konzept des betreuten Trinkens


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Zensiert wird nicht. Allerdings behalte ich mir vor, Kommentare mit verletzendem Inhalt (Hass, Rassismus, Sexismus) von der Veröffentlichung auszuschließen.