Donnerstag, 17. März 2016

Frankfurter Rundschau: Ein mann muss. Misslungener Sturm aufs Urinal vor Gericht

Am frühen Nachmittag des 15. Mai 2015 erfasst Michael K. ein ebenso menschliches wie dringendes Bedürfnis. Der 29 Jahre alte Maschinenanlagenführer aus dem schwäbischen Wüstenrot hat als Beifahrer auf der Autobahn nach Frankfurt ordentlich getankt (2,47 Promille). Und nun, beim Bummel durch die hessische Großstadt, wollen die Liter an Bier-Tequila-Mix auch wieder raus. Doch als er die öffentliche Bedürfnis anstalt des Hauptbahnhofs aufsucht, muss er zu seinem Verdruss feststellen, dass seine Börse noch im Auto liegt, der Eintritt in die Latrine aber einen Euro kostet. Und so wird der Abort zum Tatort.

Der Angeklagte beruft sich vor Gericht auf eine Art Notdurftwehr

Michael K. verlangt Einlass. Ein Euro, sagen die zwei Klofrauen. Michael K. bedenkt die Klofrauen mit Schimpfwörtern, die ihn wohl selbst erröten ließen, wenn er nicht schon aus anderen Gründen (Brüllerei, Harndrang) einen knallroten Kopf hätte. Sie riefen jetzt die Polizei, sagen die Klofrauen. Sollten sie doch, brüllt Michael K., die Polizei werde ihm schon helfen.

Die Polizei kommt. Michael K. sagt den Beamten, er müsse ganz dringend pinkeln "und die blöden Weiber wollen mich nicht aufs Klo lassen". Ein Euro, sagt die Polizei. Michael K. öffnet den Hosenlatz: Hier stehe er, er könne nicht anders, Gott helfe ihm - er uriniere jetzt in den Vorraum. Mitkommen, sagt die Polizei.

Michael K. will nicht mitkommen. Er wehrt sich nach Kräften, schlägt und tritt um sich, aber die Polizei hat Pfefferspray und Handschellen und ist in der Überzahl. Michael K. bedenkt die Polizei mit Schimpfwörtern, die ihn wohl selbst erröten ließen,  wenn er nicht schon aus anderen Gründen (Anstrengung, Pfefferspray) einen knallroten Kopf hätte. "Meine Beleidigungen waren keineswegs unangebracht", wir Michael K. später zu Protokoll geben, "die Misshandlungen mir gegenüber aber auch nicht." Der Schwabe beruft sich auf eine Art Notdurftwehr: Er habe doch so furchtbar dringend pinkeln müssen, zudem habe er auch noch ganz schön einen im Tee gehabt, und die Ein-Euro-Frauen hätten ihn mit ihrer Sturheit in eine freilich unentschuldbare Raserei getrieben.

Happy End: Am späten Nachmittag im März 2016 verurteilt das Amtsgericht Michael K. wegen Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu 100 Tagessätzen. Oder, wie die Klofrauen sagen würden: 2000 Euro.


Fazit: Der Blasendruck ist eine Begleiterscheinung des Suffs.

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