Freitag, 11. März 2016

Die Welt:In Hamburger Clubs herrscht noch Jackett-Pflicht

In vielen Hamburger Institutionen heißt es "Sakko vor Stil" - egal, wie schlecht es sitzt oder wie sehr es aus der Mode gekommen ist. Klingt etwas bieder, trotzdem ergibt der Dresscode durchaus Sinn.

Grundstückspreise in Harvestehude, der aktuelle Tabellenplatz des HSV, das Eröffnungsdatum der Elbphilharmonie – der "klassische" Hamburger interessiert sich für viele Themen. Mode gehört aber eher nicht dazu.Dunkelblau ist sei Jahrzehnten die "Couleur toujours", hellgrau gilt ihm schon als gewagt, der Hamburger fühlt sich besonders wohl, wenn er nicht auffällt.
Mode, oder sprechen wir besser von Bekleidung, erfüllt dann ihren Zweck, wenn sie ihm Sicherheit gibt. Man möchte mit ihr etwas darstellen. Und so hat das Sakko in Hamburg für Männer beinahe eine so große Wichtigkeit hat wie eine Einladung zum Matthiae-Mahl im Rathaus. Es steht für Beständigkeit. Und die schätzt man in unserer schönen Stadt.

Nein zu Jeans und Sneakern

Anders kann man auch nicht erklären, warum es in typisch hanseatischen Institutionen noch so etwas gibt wie eine Jackett-Pflicht. So steht in den Statuten der "Hanselounge" am Neuen Wall, wir zitieren gern: "Im Interesse desClubs, seiner Mitglieder und deren Gäste bitten wir auf ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Kleidung zu achten (Herren bitte im Anzug/Sakko – keine Krawattenpflicht) und auf das Tragen von Kombinationen von Jeans, T-Shirt und Turnschuhen zu verzichten."
Da steht man dann also vor der Tür, ist beruflich verabredet, und wird schließlich höflich darauf hingewiesen, man dürfe in diesem Aufzug das Wiener Schnitzel vom Kalb und den herrlichen Blick auf das Rathaus nicht genießen. Selbst im (keineswegs auffallenden) Kaschmirpulli, gestrickt aus der feinsten Wolle, die das mongolische Schaf abwirft, gibt es keine Gnade. Auch Argumente wie "Der ist von Iris von Arnim" oder "Dunkelblau ist doch so klassisch!" helfen nicht. Ein anderer Gast im schlecht sitzenden Blazer darf rein, der stilsichere Mann ohne nicht.

Einzige Option? Das Leih-Sakko!

Außer, und das ist so unangenehm wie irgendwie logisch, man lässt sich ein Leih-Sakko geben. So sitzt man dann schlussendlich im zu großen Tuch beim Kalbsschnitzel und möchte gar nicht daran denken, dass einen in diesem Aufzug die großen "Stilkinder" der Stadt, Karl Lagerfeld, der gern Bücher unterhalb der "Hanselounge" kauft, oder gar Jil Sander sehen könnten.
Ähnlich erging es vor einiger Zeit einem gut gekleideten Ehepaar im "Vier Jahreszeiten". Der Gatte wollte seine Liebste ins Sterne-Restaurant "Haerlin" ausführen. Auch er, Skandal, kam ohne Sakko, lehnte dankend das Leih-Modell ab und durfte nicht hinein. Aber, das macht Pulloverträgern Hoffnung, die Kleiderregel wurde im Luxushotel abgeschafft.
Nicht mehr zeitgemäß sei das, dennoch würden noch immer die meisten Herren im Anzug oder Sakko das Essen genießen, teilte man uns mit. Die gesellschaftlichen "Gesetze" in Hamburg machen aber auch auf liebevolle Weise Sinn, sie atmen Tradition. Und sind mir lieber als die Berliner Variante. Dort verwehrt das Pendant zur Hanselounge, neudeutsch Membership Club, Gästenmit Krawatte den Zutritt.


Fazit: Saufen mit Stil ist hanseatisch.


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