Donnerstag, 31. März 2016

Der Freitag: Hopfen, Malz und Glyphosat

Mitten im Schankraum, vielleicht zehn Meter von der Theke entfernt, entsteht das Bier, das mit der Brauindustrie nur sehr wenig zu tun hat: drei kupferfarbene, runde Kessel aus Edelstahl, je drei Meter hoch, zweieinhalb Meter breit, Fassungsvermögen jeweils 1.000 Liter. Ein Tablet mit Touchscreen überwacht unter anderem die Temperatur. Im geziegelten Kellergewölbe direkt darunter stehen drei weitere Braukessel, dazu zwölf silberfarbene Edelstahltanks für die Lagerung. Unzählige Malzsäcke sind zu sehen. „Entscheidend sind die Rohstoffe und was man daraus macht“, sagt Thorsten Schoppe während eines Rundgangs durch das Gewölbe. „Von den industriell gefertigten Bieren der großen Brauereien setzt sich unser Bier auf jeden Fall deutlich ab“, sagt er. „Und nicht alles, was wir brauen, geschieht innerhalb des Reinheitsgebotes.“ Er braue auch mal mit Vanilleschoten oder Orangenschalen, aber immer mit natürlichen Rohstoffen – nicht etwa mit Chemie, wie es die Großindustrie meist tut.
Schoppe ist Inhaber des Braugasthauses Pfefferbräu im Prenzlauer Berg in Berlin. Für das Gasthaus und sein Vertriebslabel „Schoppe Bräu Berlin“ braut er etwa 2.000 Hektoliter, also 200.000 Liter, im Jahr. Auch kleinere Brauereien, die keine eigene Brauanlage besitzen, mieten sich hin und wieder ein. Der 44-Jährige, seit 20 Jahren im Geschäft, gilt unter Kollegen als der Bier-Pate von Berlin, oft hilft er Jüngeren mit Rat. Für das Brauen beschäftigt er nur vier Mitarbeiter. „Mit dem Betrieb der industriellen Großbrauereien hat das wenig zu tun, klar.“ Pfefferbräu und Schoppe Bräu sind sogenannte Mikrobrauereien. „Sie sind eine Antwort auf das eintönige, langweilige Industriebier. Es gibt genug Menschen, die das nicht mehr trinken wollen.“ Und eben darum weichen viele Mikro-brauereien ganz bewusst auch mal vom Reinheitsgebot ab.
Mikrobrauereien und ihr „Craft Beer“ sind angesagt, sie stellen bereits fast die Hälfte aller deutschen Braustätten. Der Trend ist ein urbanes Phänomen, vor allem in den Städten haben Kleinproduzenten ihre Kunden. Sie verkaufen immer mehr Bier, während der Bierkonsum in Deutschland insgesamt rückläufig ist.

Pestizid im Krug

Dabei sind die Mikrobrauereien eine Art Kampfansage an das allseits geschätzte Reinheitsgebot, das in diesem April sein 500. Jubiläum feiert. Wasser, Hopfen, Malz und Hefe – nichts anderes soll der ältesten noch gültigen Lebensmittelvorschrift der Welt nach beim Bierbrauen Verwendung finden. Im Februar allerdings präsentierte das Umweltinstitut München die Resultate seiner Untersuchung der im Jahr 2015 absatzstärksten Produkte der beliebtesten Biermarken in Deutschland: 14, darunter Pils von Jever, Hasseröder und Warsteiner, enthielten Rückstände des Pestizids Glyphosat, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Der Deutsche Brauer-Bund wiegelte ab: Spuren des Stoffes „finden sich inzwischen fast überall“. Es werde hoher Aufwand betrieben, um die „natürlichen Rohstoffe“ nach dem Reinheitsgebot zu verwenden.
Worauf Großbrauereien in der Werbung aber selten hinweisen, das sind die vielen Zusatzstoffe, die verwendet werden dürfen. Etwa Hopfenextrakte anstatt hochwertigen Hopfens. Braut jedoch Thorsten Schoppe sein Bier „Katerfrühstück“ mit Vanille, ganz ohne Zusatzstoffe, dann braucht er eine Ausnahmegenehmigung der Behörden. Will er es außerhalb seines Braugasthauses vertreiben, darf er es nicht Bier nennen, weil er in Deutschland braut. Importiert hingegen ein internationaler Konzern etwa Kirschbier mit diversen Zusatzstoffen nach Deutschland, darf es Bier heißen. Alles andere sei unzulässiger Protektionismus, urteilte der Europäische Gerichtshof 1987 und erlaubte die Einfuhr von Bier, das nichts mit dem Reinheitsgebot zu tun hat, nach Deutschland.
Für den Mikrobrauer Sören Hars ist das Reinheitsgebot ohnehin „eine Farce“. Die Lagerhalle seines Spent Brewers Collective steht in einem Hinterhof in Berlin-Kreuzberg. Hars’ Vertriebsbrauerei ist ein selbsternanntes Braukollektiv, „das allen gehört, die mitmachen“. Auf der Internetseite prangt der Satz „Kein Bier für Nazis“. Ende 2013 sinnierte Hars mit anderen über den Umstand, dass es in Berlin zwar so viele linke Projektläden gibt, „dort aber alle dieses Industriebier trinken. Wir wollten etwas Interessantes, Cooles brauen, das sich davon absetzt“, erklärt er. Hunderte schwarze Kästen stehen in der Halle, nur eine der drei Sorten ist nach dem Reinheitsgebot gebraut, das „1312 Sabotage-Pils“. „Die Regel kommt einer Zensur für Brauer gleich, sie ist ein Marketingtrick der Industrie. Mehr als 60 Zusatzstoffe dürfen ins Bier. Es bräuchte vielmehr ein Natürlichkeitsprinzip, ein Siegel für jene, die auf diese Stoffe verzichten“, sagt Hars.
Natürlichkeits- statt Reinheitsgebot, die Idee findet auch Thorsten Schoppe sehr gut. „Aber im Jubiläumsjahr des Reinheitsgebotes wird sich nichts ändern. Es ist ein Werbejahr der Brauindustrie.“

Nicht nur Vanille

Natürlich könne man auch innerhalb des Reinheitsgebotes gute Biere brauen, sagt Schoppe – und das tue er bei Pfefferbräu auch, im Programm gibt es nicht nur Craft-Varianten wie die mit Vanille. „Auf gute und natürliche Rohstoffe kommt es an.“
In den denkmalgeschützten Rotklinker-Bau der alten Berliner Kindl-Brauerei im Bezirk Neukölln hat sich die Privatbrauerei am Rollberg eingemietet. 3.200 Hektoliter produzieren Braumeister Wilko Bereit und seine Kollegen pro Jahr und sind damit der Große unter den Kleinen. Die Vorstellung vom Reinheitsgebot als sakrosantem Katechismus halten sie für abwegig. „Was ist denn verwerflich daran, wenn ich ein Prozent Weizenmalz hinzufüge?“, fragt Bereit. „Entscheidend ist, dass wir ohne Chemie brauen.“ Glyphosat in seinem Bier müsse er nicht fürchten, er verwende nur Bio-Malz und Bio-Hopfen. Bereit will sich gar nicht bewusst von den großen Brauereien absetzen, sagt er. Nur eben besseres Bier brauen.


Fazit: Das sogenannte Reinheitsgebot - ein nationalistischer Marketing-Trick.


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