Donnerstag, 28. April 2016

WirtschaftsWoche: THOMAS' TRINKVERGNÜGEN: Ein feiner Beaujolais

Der 2014er-Morgon schmeckt fruchtig und seidig. Wären doch nur alle Beaujolais so gut.
Beaujolais hat es in Deutschland schwer. Seit den Siebzigerjahren leiden die Weine an einem Makel: Angeblich entstammen sie der Massenproduktion, sind nur durch geschicktes Marketing bekannt geworden, nicht durch Qualität. Diese Vorwürfe treffen auf die im November erscheinenden Beaujolais Nouveau sicher zu.  Doch in den Sog dieser Abwärtsbewegung kamen auch zehn Dörfer aus den nördlichen Cru-Gemeinden - und zwar völlig unverschuldet. Hier trifft die rote Gamay-Traube auf harte Böden aus Granit oder Schiefer, in teilweise steilen und hoch gelegenen Lagen. Ein Glücksfall für die Weinwelt, denn die Herzöge von Burgund hatten die Rebe im Mittelalter hierhin verbannt. Heute gehören die Cru des Beaujolais zu den zeitgemäßesten Weinen überhaupt. Sie sind im besten Fall von leichter, transparenter Frische und brauchen weder einen hohen Alkoholwert noch viel Eichenholz, um zu beeindrucken. Sie hinterlassen einen seidigen Geschmack, der von einer delikaten frischen Säure getragen wird. Gut gemacht, gehören die Cru zuden feinsten Rotweinen der Welt. Die Gemeinde Morgon gehört in die Kategorie der langlebigen Dorflagen. Nach etwa zehn Jahren Lagerung duften sie nach Rosen und schwarzen Trüffeln, ähnlich wie große Burgunderweine - allerdings für die Hälfte des Preises.

Einer der Stars von Morgon war Marcel Lapierre. Er schärfte mit seinen naturbelassenen Weinen das Profil der Region. 1973 übernahm er den Familienbetrieb und folgte den Spuren von Jules Chauvet, einem Weinhändler, der einst mit dem deutschen Biochemiker und Nobelpreisträger Otto von Warburg zusammenarbeitete. Chauvet wehrte sich gegen die Überanspruchung der Weinberge durch Herbizide und Pestizide, gegen die Zuzuckerung des Mostes, um mehr Alkohol zu erzeugen, oder gegen den Gebrauch von Schwefel. Damit widersprach er den Versprechen der modernen Weinindustrie und Önologie. Chauvet war der Erste, der das Wort Naturwein verwendete - und Lapierre nahm sich daran ein Beispiel. Im Jahr 2010 verstarb der Winzer, doch seine Familie führt sein Vermächtnis fort.  Der ungeschwefelte 2014er-Morgon zeigt eine grandiose Präzision aus bestem Lesegut. Ihn prägt ein fruchtiger Duft von roten Johannisbeeren, Sauerkirschen und Orangenschale. Dass der Wein in gebrauchten Barriques ausgebaut wurde, unterstützt den vielschichtigen Charakter. Wenn alle Beaujolais nur annähernd so gut schmecken würden, gäbe es keine Absatzprobleme mehr.

2014er-Morgon - 24,80 Euro pro Liter.

Domaine Marcel Lapierre.

Bezug über www.wein-kreis.de



Fazit: Ein Glücksfall für die Weinwelt.

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