Freitag, 15. April 2016

Neue Zürcher Zeitung: «Aber gut eingeschenkt!» :Im Umgang mit Barpersonal

Der versierte Bargänger weiss, wo er sich befindet, und ordert entsprechend: In einer einfachen Bierkneipe bestellt er keine komplizierten Glitzer-Drinks, in einem Weinkeller keine Ananas-Kokos-Arrangements.

Barkeeper haben schon viel im Leben gesehen. Und sie freuen sich nicht über alles davon – was nachvollziehbar ist, schliesslich verbringen sie täglich viele Stunden einigermassen nüchtern zwischen lauter Angetrunkenen. Dabei ist es gar nicht schwer, sich in einer Bar kompetent zu benehmen, beziehungsweise zumindest so, dass die Laune des Barkeepers nicht beeinträchtigt wird.
Stellen Sie sich nicht an die Bar, nur um sich, wenn der Barmann sich Ihnen zuwendet, umzudrehen und Ihre Freunde zu fragen, was sie wollen. Zeigen Sie sich stattdessen gut vorbereitet, und halten Sie sich dabei an überregional übliche Getränkenamen. Im Zweifelsfall ist es besser, die Zutaten mit einem entschuldigenden Schulterzucken vorzutragen. So geben Sie dem Bartender die Chance, Kompetenz zu zeigen, und lassen ihn nicht grundlos als Nichtwisser dastehen.
Sagen Sie nicht: «Aber gut eingeschenkt!», denn damit unterstellen Sie Geiz. Das kann dazu führen, dass kein Tropfen mehr als gesetzlich vorgeschrieben in Ihr Glas gelangt. Wenn Sie einen doppelten Drink wollen, bestellen und bezahlen Sie ihn. Keine gute Bestellung: «Machen Sie mir einfach Ihren besten/stärksten Drink.» Schon besser: «Ich hätte gern was Süsses, mit Gin.» Am besten: genau wissen, was man will. Und zwar bevor man die Aufmerksamkeit der Barfrau auf sich zieht.
Sagen Sie nicht: «Aber gut eingeschenkt!», denn damit unterstellen Sie Geiz.
Der versierte Besteller weiss, wo er sich befindet, und ordert entsprechend: In einer einfachen Bierkneipe bestellt er keine komplizierten Glitzer-Getränke, in einem Laden für handgeschnitzte Spezialbiere kein Miller Lite und in einem Weinkeller keine Ananas-Kokos-Arrangements.
Bei der Frage, ob man auch an Tagen, an denen viel los ist, zeitaufwendigere Getränke bestellen sollte, gehen die Ansichten der Barkeeper auseinander. Die einen sagen: «Ja, natürlich, das ist schliesslich mein Job», die anderen sind dankbar, wenn man stattdessen einen Wodka mit Eis bestellt. Wenn Sie versuchen, einen Mojito zu bestellen, und Sie bekommen die Antwort: «Sorry, die Minze ist alle», kann das bedeuten, dass die Minze alle ist. Oder dass gerade niemand Zeit hat, sich um minutenverschlingende Mehrkomponentengetränke zu kümmern.
Anderen Menschen Drinks und kleine Nachrichten «von dem Typen da drüben» über den Bartender zukommen zu lassen, mag Ihnen cool erscheinen, weil man es in Filmen sieht. Oft genug ist es aber für die meisten Beteiligten eher unangenehm: Bartender sind schliesslich keine Briefträger. Und der oder die Beschenkte ist in einer seltsamen, eigener Entscheidungen beraubten Situation. Gehen Sie stattdessen doch einfach zu der Person hin, lächeln Sie, und fragen Sie freundlich wie ein erwachsener, nicht unheimlicher Mensch, ob Sie sie auf einen Drink einladen können.
Anderen Menschen Drinks und kleine Nachrichten über den Bartender zukommen zu lassen, mag Ihnen cool erscheinen, weil man es in Filmen sieht. Oft genug ist es aber für die meisten Beteiligten eher unangenehm.
Tun Sie es gleich, zögern Sie nicht herum und zerrupfen dabei nervös die Bierteller (ebenfalls eine unbeliebte Gästegewohnheit), denn Sie haben nicht ewig Zeit: Wenn die Bar schliesst, schliesst sie. Versuchen Sie nicht, noch einen, ach komm, bitte bitte nur einen letzten Drink herauszuhandeln. Gründe können Sperrstunden, Feierabend usw. sein, eigentlich ist das aber egal, weil: Wenn die Bar schliesst, schliesst sie. Morgen öffnet sie wieder, und dann können Sie alles besser machen als heute.


Fazit: Der versierte Trinket blamiert sich nie.

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